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FRÄULEIN ZILLMANNS GESPÜR FÜR STAUB

Anne-Marie Zillmann, 29 Jahre alt. Sie sitzt still, wie festgefroren im Schreibtischstuhl, die Schultern leicht hochgezogen. Konzentriert mit weit geöffneten Augen starrt sie durch die Gläser ihrer großen schwarzgeränderten Brille auf den rechten Monitor. Über den flimmert die ZDF-Serie „Die Chefin“. Jetzt bloß nicht blinzeln. Denn in dieser Millisekunde eines Augenzwinkerns könnte sie etwas verpassen. Anne-Marie Zillmann sucht nach Fehlern im Film. „Ich bin sehr pingelig“, sagt sie und zieht das sehr dabei sehr in die Länge.

Name: Anne-Marie Zillmann

Geburtsdatum: 03.10.1987

Beruf: Cutterin / Online-Cutterin / Mediengestalterin

Kraft bedeutet für mich: Durchsetzungsvermögen.

Rohe Sichtbetonwände und ein grauer geschliffener Industriefußboden prägen den fensterlosen funktional eingerichteten Arbeitsraum. Sogar die semitransparente grün schimmernde Industrieglaswand zum Flur ist von einem schweren schwarzen Vorhang verdeckt. Im Reich von Anne-Marie Zillmann ist es dunkel. Vor der Wand ein großer Schreibtisch, die Multiplexplatte ebenfalls dunkel. Einzig drei Bildschirme mittig auf dem Tisch und eine kleine Arbeitsfunzel tauchen den kleinen Raum in ein diffuses Licht.

Pingeligkeit gehört zu ihrer Profession

Pingelig möchte niemand sein. Pingelige Menschen gelten als kleinkariert, kleinmütig, unlocker und oft als weltfremd. Doch Anne-Marie sagt es voller Stolz. Pingeligkeit gehört für sie zur Profession. Locker ist sie trotzdem. Zillmann ist Cutterin und arbeitet bei der Kölner Postproduktionsfirma Schnittwerk. Hier werden fiktionale und nonfiktionale Produktionen digital gestaltet und bearbeitet. Zillmann ist verantwortlich fürs „Mastering“. Sprich: Nachdem ein Film fertig geschnitten, bearbeitet und vertont sowie mit Titel und Namenslisten versehen ist, prüft sie als letzte Instanz Bild und Ton, bevor das Material zum Sender geht und letztlich ausgestrahlt wird.

Eine Spange hält die schulterlangen blonden Haare aus Zillmanns Stirn. Nichts soll sie ablenken. 60 Minuten am Stück starrt sie permanent auf den Monitor. So lange dauert die Serie. Und so lange muss sie Augen weit offen und Ohren gespitzt halten. Ihre schwarze Kleidung verschmilzt mit dem Dunkel des Raums, nur ihr blasses konzentriertes Gesicht leuchtet im Widerschein des Bildschirms. Das kostet Kraft. Nach zweieinhalb Stunden fordern Augen und Ohren meist erst einmal eine Pause.

„Da!“, sagt Zillmann und deutet auf den sogenannten Referenzmonitor, der ihr das Endergebnis im rechten Licht und in der richtigen Farbe zeigt. „Ein Schnittfehler“. Zillmann stoppt den Film, wendet sich dem mittleren Bearbeitungsmonitor zu, ruft hier die richtige Stelle im Film auf, öffnet das Schnittprogramm und korrigiert den Fehler. Ihre Finger flitzen dabei behände über die Tasten, die mit farbigen „Shortcuts“ bebildert sind: Kurzbefehle, die ihr die Bedienung des komplexen Programmes erleichtern.

Das Training

Anne-Marie Zillmann hat eine leichte Skoliose und dadurch bedingt einen Beckenschiefstand. Deshalb trainiert sie bei Kieser Training. Der Schwerpunkt liegt auf der Stärkung der tiefen Rückenstrecker, die der Wirbelsäule Halt geben. Zu ihrem Trainingsprogramm gehört aber auch die Stärkung aller wichtigen Muskeln des Körpers. Die Kraft hilft ihr, Stress besser wegzustecken. Außerdem hat sie seitdem ihre Rücken- und Nackenbeschwerden im Griff.


Der Blick fürs Gesamtbild

Wenn Zillmann spricht, wirkt sie wie entfesselt. Ihre Sprache: für den Laien eine Fremdsprache, der man den Namen „Cuttish“ geben könnte. Englisches Fachvokabular, meist Abkürzungen, rattern aus ihrem Mund ohne sich am Lippenpiercing zu verhaken. Ihre Hände unterstreichen ihre Worte mit wilden Gesten. Anne-Marie Zillmann ist in ihrer Welt. Seit sechs Jahren schon. Das Zeug zu ihrer Profession hat sie geerbt. Die Pingeligkeit von ihrer Mama. Und den Blick fürs Gesamtbild von ihrem Papa, dem Kameramann.

Mit dem stand sie drei Jahre hinter der Kamera, sie als Tonassistentin. Doch starke Rückenschmerzen machen ihr zu schaffen. Die Ärzte stellten eine Skoliose und einen Beckenschiefstand fest. Doch nichts half gegen die ständig blockierten Wirbel: Weder Physiotherapie, Akupunktur, noch Wärmetherapie. „Als Tonassistent stehst du 10 Stunden und hast einen Mischer an deinen Körper geschnürt. Der wiegt zwar nur 5 Kilo, aber nach 10 Stunden werden daraus gefühlte 50 Kilo.“ Und so entscheidet sich Zillmann gegen ihren ursprünglichen Berufswunsch und für eine Ausbildung zum „Mediengestalter Bild und Ton“.

Wieder deutet sie auf den Monitor. Dieses Mal ist es „digital dust“. Für eine Millisekunde blitzt das digitale Staubkörnchen als mikroskopisch winziger heller Punkt auf dem Pullover der  Hauptdarstellerin auf – für das ungeübte Auge kaum sichtbar. Zackig setzt Zillmann zwei Schnitte und retuschiert den Pixelfehler. „Away“, sagt sie und grinst zufrieden.

Staub mag sie gar nicht – die Anne-Marie Zillmann

Auch zu Hause macht Staub sie ganz fusselig. Die, die fast immer schwarz trägt und schon das Blau ihrer abgewetzten Jeansjacke als immens farbig empfindet, lebt in einem hellen weiß-rosa Mädchentraum. Hier macht sie, bewaffnet mit Staubsauger und Staubtuch, mindestens zweimal wöchentlich Jagd auf die kleinen Störpartikel. Sogar die offene Kleiderstange wird akribisch abgestaubt. Zillmann spreizt alle zehn Finger und zeigt, wie sie die Kleiderbügel danach wieder in den korrekten gleichmäßigen Abstand bringt.

„Ich bin halt ein Monk“, sagt sie locker und zuckt gleichgültig lachend mit den Schultern. Steht zu Hause eines ihrer Fotos im falschen Winkel, springt sie auf und rückt es sofort gerade. Von Kind an hat sie sich ein Gespür für Dinge antrainiert, die nicht der Ordnung entsprechen. Die bringen sie schlichtweg aus der Fassung: „Ich kann das nicht sehen, wenn Leute im Winter einen Schal tragen, aber durch eine Lücke der Hals durchblitzt. Auch verwurschtelte Kapuzen sind ihr ein Greul – am liebsten würde sie hingehen und alles in Ordnung zupfen. Selbst im Laden rückt sie Dinge gerade – unbewusst, wie Freunde ihr sagen. Anne-Marie Zillmann lacht laut und findet sich selbst ein bisschen anstrengend.

„Ich mag keine Störungen im Gesamtbild“, sagt sie. Und genau das ist gut für ihre Arbeit, die sie liebt und die sie glücklich macht. Denn Akribie ist hier ihre Aufgabe. Auch wenn ihr das ganz selbstverständlich von der Hand geht, kostet sie das viel Kraft. Kieser Training helfe ihr, von der Arbeit runterzukommen. „Ich kann wieder länger stehen. Länger sitzen. Und ich habe weniger Blockaden und Rückenschmerzen.“ Auch zehn Kilo abgenommen habe sie seitdem. Jeden Montag und Donnerstag läuft Zillmann deswegen 20 Minuten von zu Hause zu Fuß zum Training und wieder zurück. „Dazwischen power ich mich richtig aus. Dann kann ich entspannter in den nächsten Tag starten und mich wieder voll auf meine Sache konzentrieren.“ Sie schnipst mit den Fingern. Cut. Weiter geht’s.
 

Text: Tania Schneider
Fotos: Verena Meier